Indonesien Sumatra 11. Juli - 09. August 2011
Dschungelabenteuer auf West- und Nord-Sumatra
13. Juli Cubadak Insel: Paradiso Resort
Mit einem kleinen Schnellboot nähe ich das wunderschöne grüne Insel, das von einem dünnen Streifen sanft gelben Strands umgeben ist. Ich sehe zwei kleine Punkte auf einem Holzsteg stehen. Als das Boot hier wenig später anlegt, sind die Punkte zu Menschen geworden. Auf den von der Sonne verblichenen breiten Holzplanken stehen ein Mann und eine Frau. Nicht indonesisch, sondern europäisch. Auf irgendeine Weise weiß ich, dass sie uns erwarten. Sie stehen auf einem Holzsteg der Insel Cubadak, vor der Küste von Sumatra. Die Insel ist so groß wie Vlieland. Doch die Natur hier könnte nicht unterschiedlicher sein als auf Vlieland. Hinter ihnen ragt ein riesiger hoher Felsen, bewachsen mit üppiger tropischer Vegetation, gen Himmel. Am Fuße des zerklüfteten Gebirges liegt ein schöner schmaler Sandstrand mit krumm wachsenden Palmen, die wie Sonnenschirme wirken. Große Schmetterlinge in leuchtenden Farben flattern still an großen Blumen vorbei. In der Ferne höre ich das schrille Geschrei eines Nashornvogels. Hier und da ragt ein Holzhaus mit einem Dach aus Palmblättern zwischen den Palmen und Sträuchern hervor. Weiter ist der wunderschöne breite Strand komplett leer. Kein Mensch zu sehen, nur ein Kanu mit Beiwagen, das schief wie eine Oratio am Strand liegt. Ich reibe mir nochmal die Augen. Ich bin in einem Paradies gelandet, ohne Eindringlinge.
Der Mann hat kurzes Haar und einen kurzen grauen Bart. Die Frau hat ebenfalls kurzes Haar und eine fröhlich gemusterte Baumwollhose. Sobald ich einen Schritt auf die Holzplanke setze, sagt der Mann auf Englisch mit deutlich italienischem Akzent: Nice to meet you! My name is Nanni. Seine freundlichen graugrünen Augen schauen mich kurz an. Nicht durchdringend. Ehrlich freundlich. Kein Gefühl von Routine. Kein pflichtbewusster Blick.
Der Name der Frau ist Dominique. An der Art, wie sie ihren Namen aussprechen, weiß ich, dass sie Französin ist. Gemeinsam gehen wir den Steg hinunter. Es fühlt sich an, als würde ich bei ihnen zu Hause eintreten. Und das ist auch so. Doch das weiß ich erst später.
Jeder sagt schnell von seinem eigenen Resort, dass es ein Paradies ist. Ich durfte bereits in vielen kleinen Paradiesen vorübergehend verweilen. Auch einige Male auf einer Insel in Südostasien. Doch in keinem Paradies fühlte ich das, was ich hier fühlte, sobald ich meinen Fuß auf die erste Holzplanke setzte.
Selbst Löcher bohren und Nägel hindurch treiben
Nanni überlegte vor 21 Jahren, dass er wohl etwas anderes machen möchte. Als Versicherungsmakler in Turin hatte er es sicherlich nicht schlecht, aber wenn er in Asien unterwegs war, fühlte er sich besser. So kam er nach Sumatra und verliebte sich auf irgendeine Weise in die Natur, das Essen und die Menschen. Mit einem Partner hatte er die Idee, ein kleines Resort auf einer verlassenen Insel zu gründen. Als Scherz. Mal sehen, wie weit er kommen würde. Er fand diese unberührte Insel Cubadak und begann. Er fand eine eigene Wasserquelle mit Mineralwasser, was hilfreich war. Und in Torajaland auf Sulawesi entdeckte er die Idee des Holzhausbaus, die Modell standen für seine schönen 16 Holzhäuser mit einem Dach aus Palmblättern. Er hatte wahrlich nicht einmal ein kleines Stückchen von Architektur und Hausbau erfahren, aber mit einem Fax und einem befreundeten Architekten in Italien fand er heraus, wie dick ein Holzträger sein musste, wenn er neun Meter lang war und ein Dach aus Palmblättern tragen sollte, mit entsprechender Durchmesser. Das Holz kommt aus der Umgebung. Es ist so hart, dass man nicht einmal einen Nagel hinein schlagen kann. Zuerst das Loch bohren, dann den Nagel hindurch treibend. Das muss gut sein, dachte Nanni. Und es ist gut. 21 Jahre später stehen die Holzhäuser noch immer da, als wären sie gestern gebaut worden. Nur die Dächer aus Palmblättern muss Nanni alle fünf Jahre ersetzen. Alle Häuschen sind sicher mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet. Keine überflüssigen Luxus. Die Dusche hat warmes Wasser, die Toilette funktioniert gut, die Betten sind bequem, der Ventilator läuft, und der Moskitonetz hat keine Löcher. Es ist sauber und die Möbel sind geschmackvoll und komfortabel.
Sobald Nanni mir die Geschichte erzählt, fällt mir die Besonderheit bestimmter Dinge auf, die ich normalerweise für selbstverständlich halte. Elektrizität zum Beispiel. Woher bezieht er das? Ich höre keinen Generator. Das warme Wasser. Jedes Haus hat einen eigenen Boiler. Der muss immer funktionieren. Und was, wenn er kaputt ist? Mal eben den Klempner anrufen? Ach ja? In Indonesien? Wer hat auf Sumatra noch so einen Boiler? Selbst reparieren lernen ist wahrscheinlich die Antwort auf all diese Fragen.
Einen Monat oder sechs hatte er sich gegeben, dann würde er die Sache am Laufen lassen. Es wurden also 21 Jahre, und er hat kein Abreisedatum geplant. Seine Frau Frederica wurde angerufen: Sag mal, ich bleibe hier auf Cubadak. Kommst du auch? Sie kam. Und auch sie ist immer noch hier.
Dominique
Sie setzt sich neben mich an den großen Esstisch während der Mittagszeit. Alle Gäste sitzen hier zusammen an den langen Tischen, und Nanni, seine Frau Frederica und ihr unterstützendes Paar Dominique und Marco setzen sich ebenfalls immer dazu.
Die Gerichte kommen schnell auf den Tisch. Wirklich eine köstliche Kombination aus indonesischen Gerichten und italienischer Küche, inklusive Primo piatto wie Pasta, Pizza oder Quiche. Selbstverständlich alles hausgemacht. Das Secondo piatto ist wirklich vorzüglich. Von frittierten Karotten über Rendang bis hin zu gegrilltem Fisch, gegrillten Chilischoten, gefülltem Tofu, gewoktem Wasserspinat und frittiertem Blumenkohl. Das Mittagessen übersteigt alles, was ich mir je erträumt habe. Nur für das Essen könnte ich hier eine Woche bleiben.
Dominique ist still und füllt ihren Teller ordentlich und isst. Ich esse, genieße und plaudere ein wenig mit meinen deutschen Nachbarn. Plötzlich lehnt sich Dominique zurück, schiebt ihren leeren Teller etwas nach vorne und seufzt leicht. Ich seufze ein wenig mit und lege meine Gabel nieder. Anstrengend, oder? lächelt sie mich an. Tja, bejahe ich, es ist harte Arbeit hier, Muscheln in der Sonne zu suchen und dann wieder so ein schweres Mittagessen dahinterher. Aber sie fühlt sich jetzt wieder viel besser, sagt sie. Ich sehe sie fragend an, und sie beginnt zu erzählen. Sie schläft hier hinten in einem Bungalow und hörte letzte Nacht ein enormes Knacken aus dem Dschungel und dann einen lauten Schlag. Sofort dachte sie an den Wanderweg, den sie für die Gäste zu einem anderen Strand angelegt hat. Es musste ein Baum auf den Weg gefallen sein, dachte sie, und konnte dann kaum wieder schlafen.
Heute Morgen ist sie losgegangen, um nachzusehen, und tatsächlich; Sie fand einen riesigen Baum mit vielen Ästen quer über dem Weg. Mit etwas Personal aus der Küche hat sie mit ihrer Machete losgelegt und so gut und so schlecht es ging alle Äste entfernt, bis sie zum Stamm kam. Das hatte sie sich schon gedacht. Der Baum selbst hat einen Durchmesser von anderthalb Metern. Den bekommt man nicht einfach so beseitigt. Schritt zwei, so hat sie gerade überlegt, ist es, mit der Kettensäge zwei Durchgänge zu schaffen. Damit die Gäste dennoch über den Weg kommen können. Den Baum wegzuschaffen ist unmöglich. Aber bevor sie mit dieser Arbeit beginnt, setzt sie sich neben mich, um Mittag zu essen. Sie hatte einen Bärenhunger.
Verblüfft schenke ich ihr noch etwas Wasser nach. Und frage sie dann ganz nebenbei, was sie für einen Job hatte, bevor sie vor vier Jahren nach Cubadak kam. Sie arbeitete in der pharmazeutischen Industrie. In Kuala Lumpur. Sie kommt aus La Rochelle, im Südwesten Frankreichs. Möchten Sie noch Erbsen?
Haben Sie sonst noch Pläne für die kommenden Jahre? frage ich sie gerade, bevor ich aufstehe, um meine Muschelsammlung weiter zu erweitern. (Man muss sich schließlich ein Ziel setzen, auch wenn man im Paradies ist, nicht wahr?) Dominique schüttelt den Kopf. Keine Pläne. Sie steht ebenfalls auf und geht barfuß zurück in den Dschungel.
Mangosteen Erinnerungen
Für mich ist die Mangosteen oder Mangistan absolut die Königin der tropischen Früchte. So wie sie da liegt und mit ihrem kleinen grünen, dickblättrigen Krönchen mit dickem Stiel obendrauf wartet. Sie hat die Farbe einer rotbraunen Aubergine, doch sie ist klein und rund, etwa so groß wie eine ordentliche Mandarine. Ihre Schale ist außen hart und dick. Wenn man jedoch das Krönchen mit festem Griff zwischen Daumen und Zeigefinger abdreht und dann vorsichtig beide Daumen in das entstandene Loch drückt, um die Schale zu öffnen, sieht man, dass die Schale von innen weich und knallrot ist. So rot, dass man damit einen Farbstoff herstellen könnte. Ich wette, das wurde auch schon versucht. Tief im Herzen sitzt die Frucht. Klarweiße Scheibchen. Sechs, manchmal acht, in der Form eines Kreises, ähnlich wie bei der Mandarine. In den Scheibchen befindet sich manchmal ein hellbrauner Kern. Die Frucht fühlt sich seidenweich im Mund an. Nicht schleimig, sondern fest, ohne hart zu sein. Weniger glatt als Lychee, weicher als Mandarine. Und es schmeckt süß mit einer sauren Hülle. Ja, das ist es. Zart süß mit einem dünnen Film von Sauer darüber. Mein Gott, ich schmelze dahin.
Rafelige Rafflesia, 18. Juli 2011
Das Laufen im Dschungel ist ein Fest. Vorausgesetzt, man hat keine unvermeidlichen Probleme mit rutschigem Schlamm, in dem man mit seinen blitzneuen Tefa-Schuhen einen halben Meter einsinkt, oder mit einer Körpertemperatur, die mindestens bis zum Siedepunkt ansteigt, oder mit Lianen mit Dornen, an denen man sich ängstlich festhält, um nicht einen Meter nach unten zu rutschen, oder mit Stichen von undefinierbaren fliegenden oder kriechenden Wesen, die entweder jucken wie verrückt oder stechen wie die Hölle, oder mit einem Herzstillstand, weil man plötzlich die Blätter über sich rascheln hört und eine schwarze Gestalt über dem Kopf wegspringen sieht. Und normalerweise bekommt man diese Leidenschaft in mehreren bunten Variationen serviert.
Das Laufen durch den Dschungel ist also ein Fest. Ein großes Fest. Denn der feuchte Schlamm ist eine Nahrungsquelle für die fantastischsten Blumen, Bäume mit den unglaublichsten Blattformen und Sträucher mit den schönsten Früchten. Das liegt an der konstant hohen Temperatur, die mein Blut erwärmt, aber gleichzeitig die Blumen zum Blühen bringt und die Bäume Früchte abwerfen lässt. Die fliegenden und kriechenden Wesen sorgen für die Bestäubung der Trompetenblumen, der Orchideen und unzähligen anderen bunten Blumen, die ich auf meinem Weg nach oben finde. Ich sehe den Kakaobaum, den Zimtbaum, wilde Jackfrüchte, Farne mit Blättern so groß wie Elefantenohren, Lianen so dick wie Unterarme, Blätter so groß, dass man ein Baby darin wickeln könnte. Staunend bahne ich mir langsam meinen Weg nach oben und höre dann einen Schrei. Joehoe! Ja! Er ist wirklich da! Zwischen dem Grün sehe ich etwas dunkelrotes. Dickrot, mit ein paar hellgelben Punkten. Unser fünfjähriger Sohn steht schon daneben. Er steht neben einer der größten blühenden Blumen, die es gibt. Er steht neben einer wildblühenden Rafflesia, dem Ziel unserer Dschungeltour auf den Berg. Hurra! Auch wenn ich davor stehe, finde ich es noch unrealistisch. Was macht so eine seltsame, fleischige dicke Blume mit fransigen Rändern hier? Die Blume hat einen Durchmesser von geschätzt einem halben Meter. Das Herz dieses Riesen ist offen und hat innen dunkelrote Dornen, die furchterregend nach außen ragen. Unzählige Fliegen, Bienen und Wespen fliegen hinein, um nicht mehr zurückzukehren. Die Rafflesia ist eine fleischfressende Pflanze. In dem süßen, klebrigen Wasser im Herzen ertrinken die Insekten und werden so von der Königin der Blumen verschlungen. Königin hin oder her, ich finde sie erdig hässlich. Eigentlich kenne ich bis heute keine hässliche Blume. Jede Blume hat mindestens etwas Schönes. Etwas Zierliches. Oder eine wunderschöne Farbe. Meistens hat eine Blume alles zusammen. Bei der Rafflesia schaue ich immer wieder, ob ich etwas Schönes entdecke. Vergeblich. Eindrucksvoll ist sie jedoch. Das lässt sich nicht leugnen. Ihr Umfang, das fleischige Blatt, das große offene Herz. Brrr. Eigentlich gruselig. Ja, das ist es. Es ist die gewalttätigste aussehende Blume auf dem ganzen Erdball. Die größte und die gruseligste. Und ich war dabei. Und unser fünfjähriger Sohn und unsere neunjährige Tochter waren Zeugen davon.
Harau Blues
Ein Mann mit einem kleinen Schnurrbart öffnet die Vorderür des Vans und setzt sich vorne hin. Ikbal, sagt er, als ich frage, wie er heißt. Wir sollen mit ihm wandern. Durch die Reisfelder, durch den Dschungel, Kokosnüsse schlürfen, Fische fangen, im Wasserfall schwimmen, im Lotussee Fische fangen und von der Jackfruit-Curry essen, die von seiner Frau zubereitet wurde. Versuchen Sie mal, da Nein zu sagen.
Am nächsten Morgen steht er bereit. Bei dem Haus seiner Großmutter. Wir sind hier im Land der Minangkabau. Die Minangkabau sind matrilinear, was bedeutet, dass das Erbe und das Eigentum über die Blutlinie der Mutter weitergegeben werden. Jedes Haus gehört also der Mutter, der Großmutter oder der Tante. Nie dem Vater, dem Großvater oder dem Onkel. Daher führt uns Ikbal vom Haus seiner Großmutter über das Haus seiner Schwiegermutter zum Haus seiner Frau.
Er geht voran, über den Hof des bunten Hauses – es ist fröhlich in den Farben Gelb und Schwimmblaublau gestrichen – wir gehen unter großen Bäumen mit Blättern, die so groß sind wie Fächer, zu einem Bambusstamm über ein kleines Gewässer. Er zeigt auf einen Strauch. Kakao. Er reißt die große hellgrüne, längliche Frucht auf, und eine schleimige, glasige weiße Paste erscheint. Große beigefarbene Kerne scheinen hindurch, so groß wie Mandeln. Er reißt ein Stück heraus und steckt es in seinen Mund. Er lutscht demonstrativ. Mmmm lecker. Ein Schaudern zieht über den Rücken meines Sohnes. Ich halte tapfer meine Hand aus. Her mit der Frucht. Sie schmeckt tatsächlich schleimig, aber wunderbar süß und gleichzeitig ein wenig sauer.
Ikbal springt wie ein kleines Kind über Grasflächen, taucht in die Büsche ein, um Zitronengras zu suchen, und hängt an dicken Zweigen eines Mangosteenbaums, um zu sehen, ob die Früchte bereits reif sind. Leider. Noch zu früh. Das ist wirklich schade, denn eine Mangosteen ist für mich die Königin der tropischen Früchte. Rund und braun von außen, mit einem breiten grünen Stiel und einigen dicken breiten Blättern wie bei einer Sukkulente. Wenn man die Frucht aufreißt, ist die dicke Schale knallrot. Darin befinden sich Kerne, umhüllt mit weißem Fruchtfleisch. Das isst man. So weich wie Mango, so süß wie Lychee, aber mit einer Tannin-Note im Hintergrund. Mit einem Wort königlich.
Er krempelt seine Hosenbeine hoch und watet durch kleine Bäche, springt zu Libellen und erschreckt dich mit riesigen Käfern, so groß wie ein Tennisball, die durchschnitten sind, mit einem langen, gekrümmten Stachel auf dem Kopf. Fliegende Käfer, scheinen wir die zu nennen.
Dann zeigt er nach oben an die hohe, vertikale Klippe. Er steht schließlich im engsten Abschnitt des Harau-Tals, einer Schlucht eigentlich, die an zwei Seiten von zwei enormen, unbewachsenen Felswänden begrenzt wird, die etwa 200 Meter buchstäblich senkrecht in die Luft ragen. Oben geht der Dschungel ganz normal weiter. In diesem Dschungel, wo Menschen schwer hinkommen, wimmelt es von wilden Tieren und beeindruckender Flora.
Er zeigt auf riesige Bienennester oben an der Klippe, die in der Ferne wie trocknende, steife braune Handtücher aussehen. Tausende von Bienen produzieren den köstlichsten Honig. Aber es ist lebensgefährlich, ihn herunterzubekommen. Denn wenn man das zur falschen Zeit macht, greift einem das Schwarm an.
Das Haus seiner Schwiegermutter steht am Rand der Reisfelder, zwischen etwa zehn anderen Häusern, von denen zwei im alten Minangkabau-Stil gebaut sind. Diese alten Stilhäuser haben wunderschöne, nach oben geschwungene Dächer mit gebogenen Traufen. Wie ein Mondsichel auf ihrem Rücken. Diese beiden haben eine schön verzierte kleine Veranda an der Vorderseite. Sobald wir in Sicht sind, klettert ein magerer alter Mann aus dem kleinen Dorf mit einer großen Machete auf dem Rücken einen Palmbaum hinauf. Blitzschnell klettert er über den mehrere Meter langen, senkrechten glatten Stamm bis zu den grünen Palmblättern, wo die Kokosnüsse hängen. Er bricht drei ab und wirft sie herunter. Unten schlägt Ikbal mit seiner Machete die Kokosnuss auf, so dass ein kleines Trinkloch erscheint. Zuerst trinkt sein Sohn. Und dann dürfen Sil und Luna. Köstliches süßes Kokoswasser stillt den Durst wie das Beste.
Schlafen im Harau-Tal?
Schön ist das Echo Homestay im Harau-Tal. Mitten zwischen den Dschungelbäumen und Pflanzen im engsten Teil der Schlucht. Es sei denn, es findet gerade ein Kongress statt. Diese Sätze, die Dominique auf der Insel Cubadak ausgesprochen hat, hallen noch immer in meinen Ohren nach, während ich im Gelände von Echo in einem wunderschönen nachgebauten Minangkabau-Haus mit nach oben geschwungenen Dächern versuche, Schlaf zu finden. Was für eine unerträgliche Lärmbelästigung machen diese Kongressler! Es hallt durch das gesamte Harau-Tal. Es wird von den Felswänden, die uns umschließen, widergespiegelt. Deshalb heißt diese Lodge Echo. Warum man ausgerechnet hier Personalkongresse aus der Stadt mit Karaoke bis tief in die Nacht veranstaltet, ist mir ein absolutes Rätsel. Dass man dort auch noch Touristen zum Schlafen unterbringen möchte, ist vielleicht ein noch größeres Geheimnis. Darüber konnte ich in der Nacht gut nachdenken; Wenn ich noch einmal im Harau-Tal übernachten sollte, würde ich mir die Bambus Häuser von Ikbal empfehlen. Mit einem wunderschönen Blick über die Reisfelder von Harau. Ohne Elektrizität, also garantiert kein Karaoke.
Bukittingi - Canyon-Wanderung - Wie lieblich und gefährlich sie beide zugleich sind
Dody steht wartend an einem Zaun. Sobald ich an der Bordsteinkante halte und ausgestiegen bin, springt er auf. Und schweigend gehe ich hinter ihm her. Ein kleiner Pfad führt zum Panoramablick auf die Stadt. Von hier aus sehe ich unten die wunderschöne Schlucht, die von einem Fluss geformt wurde, der jetzt unschuldig als schmaler, glitzernder Streifen hinunterfließt. In der Schlucht liegt viel Unrat, wie Stücke von Schutt, Seil und blauer Bauplane, die halb aus dem Boden ragen. Es ist die Folge eines Ausbruchs des Flusses vor ein paar Jahren, der unterwegs einige Dörfer mit sich gerissen hat. Dieser lieblich kleine Wasserlauf kann monströse Formen annehmen.
Der Weg hinunter durch das Grün ist ein Abenteuer. Dody ist vorne mit seiner Machete, um den Pfad von Pflanzen, Blättern, Dornen und Schlingpflanzen freizuhalten. In der Zwischenzeit zeigt er auf und erzählt. Der Kaffeestrauch blüht. Runde weiße Blüten mit unzähligen langen, schmalen Blättern, die wie Papierschnipsel aussehen, die gerade aus dem Aktenvernichter gefallen sind. Ich sehe die lila Weinreben überall wachsen, langschwänzige Makaken springen von Ast zu Ast. Und dann bleibt Dody stehen und starrt aufmerksam ins Gebüsch. Ich frage mich, ob er einfach auf mich wartet oder ob er etwas anderes vorhat. Er schaut immer weiter. Und dann zuckt er mit den Schultern und steigt weiter ab. Was war das? Ach, ich habe geschaut, ob ich noch eine Python sehe.
Gestern lag er irgendwo hier im Gebüsch. Er ist so dick wie mein Oberschenkel und etwa sechs Meter lang. Mein Herz schlägt mir in die Kehle. Pythons. Direkt neben diesem schmalen, einfachen, unschuldigen Pfad, über den fast jeden Tag Menschen laufen? Sitzen Pythons nicht im gleichen Revier wie der Sumatra-Tiger und das Rhinozeros? Mindestens sieben Tage tief im Dschungel? Und dann einfach hoffen, dass man eine Spur von ihnen findet? Gleichzeitig fühle ich mich ein wenig dumm. Natürlich gibt es Pythons! Ich bin auf Sumatra und im Gebüsch. Dort leben viele Tiere. Auch Schlangen also. Aber ich versuche mich einfach nur an den Hof der Farm meiner Jugend zu versetzen. Das ist so viel sicherer und übersichtlicher. Also höre ich mich selbst sagen: Ist eine Python nicht eine Würgeschlange? Ja, sagt Dody und schlendert ruhig weiter. Also gibt es hier keine giftigen Schlangen, sage ich hoffnungsvoll. Doch, sagt Dody, ohne sich umzublicken. Kobras und so. Du weißt schon, mit so einem flachen Kopf.
Plötzlich wird mein liebliches Wanderpflaster nach unten von Gerüchen und Farben umgeben, eine abenteuerliche, gefährliche Wanderung, bei der ich bei jedem Schritt, den ich mache, auf der Hut sein muss. Wo ich, bewaffnet mit einer Machete und scharfem Auge wie ein Adler, um mich herum Ausschau halten sollte nach plötzlich auftauchender Gefahr. Ich bereite mich bereits auf einen Angriff vor. In der Zwischenzeit wandert Dody weiter wie zuvor. Keine Veränderung im Gang im Vergleich zu dem vor meiner Python-Kobra-Entdeckung. Er fühlt sich anscheinend nicht bedroht. Einfach nur aufpassen, aber übertreibe nicht. Sie greifen nicht ohne Grund an. Es könnte auch plötzlich eine Kokosnuss herunterfallen. Die möchte man auch besser nicht auf dem Kopf bekommen. Das sind andere Gefahren als zu Hause. Man muss sich daran gewöhnen. Es nicht vergessen, aber auch nicht übertreiben. Ich gehe wieder etwas entspannter weiter. Ich würde ihn wirklich gerne sehen, die Python. Und jetzt wandelt sich die Hoffnung auf Sicherheit in die Hoffnung auf ein Treffen. Ich spähe wie ein Adler ins Gebüsch.
Herunterholen mit fliegenden Hunden
Die Schlucht von Bukittingi ist wunderschön. Als ob man durch die Wüste läuft, mit dem Dschungel über einem. Und in der Ferne die steilen Wände. Der kleine Fluss, der die Schlucht geformt hat, spielt in der Trockenzeit kaum eine Rolle.
Wir gehen bis zum Ende der breiten Schlucht. Der Fluss macht eine Biegung und ich blicke nach oben. An einigen Bäumen hoch über uns hängen schwarze Dinge. Zuerst denke ich an Kapokbäume mit ihren großen, länglichen dunklen Früchten, die später aufbrechen und das flauschige weiße Kapok nach außen drücken. Aber nein, diese Früchte sind größer als Kapok. Und an den Seiten haben sie seltsame Flappen. Glänzen die? Bild ich mir das ein? Dody zeigt nach oben. Fliegende Hunde, sagt er. Ich schrecke fast zurück. Jeemig! Das müssen riesige Tiere sein, denn sie hängen sehr hoch und somit weit weg, und ich sehe sie so deutlich. Und wie viele es sind! Ich kann es jetzt wirklich gut sehen. Hunderte hängen dort! Soweit ich von hier aus in der Schlucht sehen kann, sind fünf Bäume ganz gefüllt mit kopfüber hängenden fliegenden Hunden. Sie schlafen, bis es Abend wird, und dann fliegen sie weg. Auf der Suche nach Obst. Morgens kommen sie genau an diesen Ort zurück. Ein wunderbares Phänomen. Sie sehen sehr ähnlich aus wie Fledermäuse, nur in enormem Maßstab. Mit ausgebreiteten Flügeln sind sie sicher mehr als einen halben Meter breit. Ich kann nicht aufhören, sie anzustarren. Ich kann nicht genug davon bekommen. Insgeheim wünsche ich mir, dass es Abend wird. Dann werden sie fliegen. Kaum habe ich es gedacht, beginnt Dody in die Hände zu klatschen und ruft durch die Schlucht. Waaaaaaaah. Und mein lieber Himmel, sie wachen auf! Zuerst fliegen ein paar auf, aber bald sieht es buchstäblich schwarz aus von den tief fliegenden Hunden. Ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll. Ich könnte vor Freude schreien. Was für eine Macht! Ich habe das Gefühl, ich könnte sie berühren, obwohl sie mindestens vier Meter über mir fliegen. Ich sehe sie so deutlich. Ihre Ohren ragen stolz über ihren Kopf hinaus, sogar das Gefühl, ihre Augen zu sehen. Sicherlich kann ich die Klauen an der Vorder- und Rückseite ihrer riesigen Flügel sehen, mit denen sie sich an den Ästen festklammern, um zu schlafen. Ihre Flügel sind ein wenig gruselig. In der Form von fast durchsichtigen Vampirflügeln mit ein paar Sehnen dazwischen. Ich sehe die Flügel deutlich glänzen. Als wären sie aus Gummi mit einer plastikartigen Beschichtung. Ein bisschen unheimlich. Sie fliegen weiterhin umher. Es dauert sicher 10 Minuten, bis sie wieder ihren Schlafplatz gefunden haben. Ich habe die ganze Zeit Gänsehaut auf den Armen und schaue mit offenem Mund zu. Was für seltsame Organismen gibt es auf diesem Planeten. Und hier erlebe ich es einmal mehr: der Mensch ist nur ein Glied in der Kette. Ich sollte mich auch mehr wie ein Glied verhalten.
Minakabau in Padangpangjang - Nuklearwissenschaftlerin auf Sockenfüßen
Eine Frau mit einer großen Brille und einem modernen Wollmütze auf dem Kopf steht auf der Wiese vor einem prächtig verzierten Minakabau-Haus in Padangpangjang. Sie winkt. Und ich gehe vorsichtig auf sie zu. Meine Tante lebt hier, sagt sie und deutet nach hinten. Hinter ihr sehe ich eine gebückte Frau mit einem riesigen weißen Kopftuch, das bis knapp über ihre Augen reicht. Sie zeigt ihr einziges sichtbares Zahn und schleicht zum Treppchen, das Zugang zum breiten Holzhaus auf Pfählen gewährt. Wir stehen vor einem Familienhaus der Minakabau und in wenigen Sekunden werde ich darin stehen. Kein Museum, sondern ein bewohntes Haus. Ein reiches Haus. Das Dach hat die Form einer Mondsichel. Das Holz der Fensterrahmen, Regenrinnen und Dachkonstruktion ist wunderschön bearbeitet und mit schönen abstrakten Motiven bemalt. Ich lasse meine Sandalen draußen stehen und trete auf den weichen, dunkelroten Teppich. Innen komme ich in einen großen Raum. Der Boden ist mit Teppich ausgelegt und es stehen hier und da große, dicke, dunkelholze Säulen, auf denen das Dach ruht. Die Säulen sind ebenfalls bearbeitet. Es gibt keine Stühle. Nur zwei kleine, niedrige runde Tischchen mit einer Vase voller frisch gepflückter Blumen. Eines auf der linken Seite des Hauses und eines auf der rechten Seite. Es stehen einige schöne Holzvitrinen mit sichtbar teurem Porzellan und Glaswaren. In der Mitte hängt ein schwerer bronzener Kronleuchter mit Glühlampenhaltern. Ansonsten ist dieser Raum leer. Auf der Rückseite gibt es einige Türen zu den Räumen dahinter. Das müssen kleine Räume sein, angesichts des großen Raumes, in dem ich mich jetzt befinde. Das Haus war von außen betrachtet nicht viel größer. Das sind die Schlafzimmer der Frauen. Die Dame, die uns nach drinnen winkt, spricht fließend Englisch. Und sie erzählt gerne. Mit gierigen Atemzügen dazwischen. Dies ist das Haus ihrer Tante und sie deutet auf die Frau mit dem weißen Kopftuch, die inzwischen auf dem Boden bei einem der zwei Holztische Platz genommen hat. Sie sitzt entspannt mit elegant gefalteten Beinen, obwohl sie mindestens 80 Jahre alt sein muss. Ihr Mann hatte zwei Frauen und er baute dieses Haus für sie. Ihre Tante bekam den linken Teil des Hauses und die andere Frau des Mannes den rechten Teil. Der linke Teil wird von der Tante und einer Tochter bewohnt, der rechte Teil wird von der anderen Frau und ihrer Familie nicht genutzt, aber die Tante hält ihn dennoch in Schuss. Und jetzt sehe ich es auch. Obwohl es ein offener Raum ist, sehe ich deutlich an den Möbeln, dass es zwei Haushalte bedient hat. Auf jeder Seite steht ein niedriges runden Tisch und es gibt einige Vitrinen auf beiden Seiten.
Auf der ungenutzten Seite steht eine Standuhr, eindeutig ein altes, teures europäisches Exemplar. An den äußeren Seiten sind auf beiden Seiten Erhöhungen zu sehen. Auf beiden Seiten steht ein schönes Bett mit schweren, schönen gelben und roten Stoffen, verziert mit goldenem Draht. Um sie herum stehen einige niedrige Schränke und Kisten, die mit Brokat überzogen sind. Es wird die Ajung genannt. Hier dürfen die Töchter schlafen, die alt genug sind, um als Heiratskandidatinnen in Frage zu kommen. Es ist ihr Raum, nur sie dürfen zusammen mit eventuell anwesenden Cousinen herein. Unsere Gesprächspartnerin hat dort als junges Mädchen geschlafen. Wir sind offensichtlich bei einer wohlhabenden Familie angekommen.
Die meisten Familienmitglieder wohnen in Jakarta oder Yogyakarta auf Java, genau wie unsere Gesprächspartnerin. Sie hat in Jakarta und Japan studiert und ist Nuklearwissenschaftlerin. Sie hält immer noch Vorlesungen an der Universität von Singapur, sagt sie. Und sie drückt ihre Wollmütze noch etwas weiter über die Ohren. Sie ist gerade von Jakarta hierher geflogen, um das Grab ihrer Mutter zu besuchen und zu reinigen. Nächste Woche beginnt der Ramadan, und dann ist es die Pflicht jedes Kindes, das Grab der Eltern zu besuchen. Sie wohnt hier also offenbar nur ein paar Nächte. Es ist eine adelige Familie mit viel Macht und Einfluss aus der alten niederländischen Zeit, wie ich lerne, denn der Kronleuchter, der über meinem Kopf schwebt, ist niederländischer Herkunft und wurde von den Niederländern dieser Familie geschenkt. Nur außergewöhnlich einflussreiche Familien erhielten einen solchen Kronleuchter. Diese Familie ist Minangkabau und Moslem mit strengen Adat, die bis heute befolgt werden. So dürfen in diesem Haus keine Männer wohnen. Die Minangkabau sind matrilinear, und das Erbe verläuft über die Linie der Frau. Die Mütter erben das Haus und das Familienvermögen. Das Haus bleibt im Besitz der Frau, und der Mann zieht nach seiner Ehe nicht bei seiner Frau ein, sondern bleibt offiziell im Haus seiner Mutter wohnen. Er darf in der Nacht seine Frau besuchen, und dann darf er auch übernachten. Erst wenn er genug verdient hat, baut er ein Haus für seine eigene Frau, in dem sie mit seinen Kindern wohnen wird. Bis dahin lebt die Frau bei ihrer Mutter. Kein Geld? Kein Haus für deine Frau.
Dieses Haus wurde 1885 für die zwei Frauen und Kinder eines einflussreichen Mannes gebaut. Es hat bereits zwei Erdbeben gut überstanden, sagt unsere Nuklearwissenschaftlerin, während sie von einem Bein auf das andere wippt.
Dann wird der Vorhang der Haustür beiseite geschoben, und ein dicker Mann um die vierzig kommt herein. Er trägt eine alte Kamera um den Hals. Vermutlich mit einem Filmrollensatz. Er wird als der Sohn der Tante vorgestellt. Er kümmert sich um sie und das Haus und wohnt im Nebenhaus hier auf dem Grundstück. Eine Zwischenlösung, um die Adat zu wahren, vielleicht. Wir dürfen alle auf der schönen Ajung Platz nehmen, und der Sohn macht ein Foto. Wir essen und trinken zusammen und feiern so unser Treffen. Wie lange wird das noch in einem solchen Haus auf diese Weise bestehen?
Bukit Lawang 21-22 Juli - Neue Begegnungen
Genau an der Grenze zwischen der Kautschukplantage und dem Gunung Leuser Park werde ich zur Stille ermahnt. Ich habe noch nicht einmal zehn Minuten mit der Dschungelexkursion begonnen. Ich habe die erste Liane noch nicht gesehen. 'Sssst, orangutan', flüstert Ignis, unser Guide. Ich denke, ich habe das falsch verstanden. Hä? Liegen die hier etwa für jeden einfach so herum? Das kann doch nicht sein! Ich halte meinen Sohn an der Hand. Der ist vor allem auf der Jagd nach Orang-Utans. Und ich dachte, ich spiele einfach mit ihm. Schau in die Wipfel und hinter jeden Baum, denn vielleicht hängt da einer. Dass wir dann bei der nächsten besten Gelegenheit in der echten Dschungel wirklich einen sehen, ist ein großes Wunder. Aber das Wunder geschieht. Mehr noch: es ist nicht einer; es sind zwei! Mutter und Kind. Sie
hängen neugierig über unseren Köpfen. Und kommen dann herunter. Wir stehen noch keine zwei Meter von ihnen entfernt. Süße Köpfe, aufrecht stehendes rotes Haar. Große schwarze glanzvolle Handflächen. Die Mutter hat einen Katarakt an einem Auge oder ist sogar schon ganz blind. Das kann ich so sehen. Und dann? Und dann darf Sil ihnen ein paar Bananen und Ananas geben. Ich weiß nicht, was mit uns passiert! Er streckt seine Hand mit der Banane aus und Ma Oetan kommt einfach und holt sie sich. Vorsichtig nimmt sie sie ihm ab. Und klettert wieder einige Meter den Baum hoch, um sie dort mit ihrem Kind zu teilen. Ihr Kind ist übrigens fast zwei Jahre alt und trinkt immer noch von ihrer Brust. Nach den Bananenstückchen nuckelt sie noch ein wenig an der bekannten Brust. Ma schaut etwas vor sich hin und sieht glücklich und zufrieden aus. Sil sieht seinerseits gelassen zu. Als ob es für ihn das normalste der Welt wäre, dass er einen halb wilden Orang-Utan füttert.
Unter meinen Füßen sehe ich trockene Erde zwischen den Baumwurzeln und grünen Kriechtieren. Das gibt ein sicheres Gefühl. Feuchte Erde ist für mich ein Zeichen, dass ich auf Blutegel achten muss. Und das ist kein Spaß. Aber hier mitten im Dschungel an einem trockenen Tag ist es wirklich ein großes Fest! Und für Sil ist es ein großer Spielplatz. Lianen hängen wie Girlanden gekrümmt an ihren Gastgebern. Das sind manchmal riesige Maranti-Bäume, die du mit vier Leuten kaum umarmen kannst und die so hoch sind, dass sie einsam über den Dschungel ragen können. Ihre Wurzeln sind enorm, und das, was über der Erde ist, schlängelt sich wie Schlangen über den Boden in schönen Farbnuancen. Was für eine beeindruckende Kraft strahlt das aus. Eine riesige Ameise sagt meinen Schuh guten Tag. Sie läuft dagegen, aber nicht darauf. Zum Glück. Wirklich eine riesige Ameise, die so lang ist wie sechs gewöhnliche Ameisen hintereinander. Ich fühle mich kurz wie Erik in seinem kleinen Insektenbuch, als er gerade klein geworden war und in der Welt der Insekten gelandet ist. Beißen diese Tiere wie die Feuerameisen hier, aber dann sechsmal so heftig? Ich beschließe, das Experiment vorerst nicht zu wagen und stampfe die Ameise von mir ab. Dann sehe ich ein Insekt auf einem Blatt sitzen. Ein ganz großes Tier, so groß wie eine grüne Heuschrecke, aber dann hellbraun mit einem orangefarbenen und einem weißen Streifen über seinem Körper. Sein Kopf ist geschmückt mit großen schwarzen Augen, einem weißen Fleck und zwei türkisfarbenen Punkten an der Außenseite jedes Auges. Welcher Künstler hat sich das so ausgedacht? Oder bin ich wirklich in einer Kindzeichnung eines Kindes mit einer ausgeprägten Fantasie gelandet?
Ich schaue auf und sehe Sil kopfüber in einer Liane hängen, offensichtlich eine Nachahmung des gerade gesehenen Orang-Utans. Er kichert und genießt das Klettern, Hängen und Krabbeln in vollen Zügen. Ich muss ihn allerdings immer wieder darauf hinweisen, dass er zuerst gut schauen sollte, wo er seine Hände und Füße platziert, um zu vermeiden, dass er Insekten greift, die das nicht zu schätzen wissen und ihn buchstäblich beißen.
Und dann höre ich ein kräftiges Rascheln oben im Baum. Glücklicher Tag, murmelt Ignis und zeigt nach oben. Ein paar „white-handed gibbons“ schießen durch die grünen Blätter. Ich sehe sie mit bl nakedem Auge. Mit der Kamera hole ich sie näher heran. Was für einen süßen Kopf so ein Tier hat. Cremefarbene Fell, aber ihr Gesicht ist weiß, genau wie ihre kleinen Hände. Ihr Fell sieht so weich aus. Das reinste Kuscheltier.
Ich sehe Ignis in sein Handy murmeln und die Verbindung trennen. Offenbar haben wir hier doch noch Empfang. Dann sagt er ruhig, dass ein alter Orang-Utan weiter vorne gesichtet wurde, der seit ein paar Wochen nicht mehr in der Nähe der Futterstelle war. Die Futterstelle ist unser Endziel heute. Eigentlich war der Plan, dass wir zuerst ein paar Stunden durch den Dschungel zur Futterstelle für Orang-Utans gehen. Hier wird zweimal täglich Futter für die Affen bereitgestellt, die selbst nicht genug Früchte im Dschungel finden können. Manchmal kommen Orang-Utans, manchmal aber auch gar nicht. Touristen können diese Futterstelle über einen angelegten Pfad schnell von Bukit Lawang erreichen. Wir machen also einen Umweg durch den Dschungel. Ich hätte nie gedacht, dass wir unterwegs auf einmal Orang-Utans treffen würden! Und in zwei Sitzungen. Diesmal ist es ein alter Mann. Beeindruckend groß, also dürfen wir nicht zu nah herankommen. Die Bananen werden ihm dieses Mal zugeworfen. Er kommt sie abholen und steht etwa fünf Meter von mir entfernt auf dem Boden. Er steckt alle fünf Bananen gleichzeitig halb in seinen Mund. Nein wirklich! Das sieht so urkomisch aus, dass ich mein Lachen zurückhalten muss. Als ob er zur Stille ermahnt wird und als Strafe eine Traube Bananen gegen seinen Willen in die Kehle gedrückt bekommt, die wie ein Korken wirken muss. Sei still! Stopf. Er sieht dabei auch etwas empört aus, so scheint es. Währenddessen schnappt er sich seine Bananen wieder auf und knabbert sie in den Baum zurück. Dann kommt er herunter und steht auf dem Boden. Langsam läuft er auf uns zu, seine Hände und Füße auf dem Boden. Eine etwas machoartige Haltung nimmt er ein. Der Guide wird dann blitzschnell. 'Nach hinten', zischt er und hebt Sil hoch und springt nach hinten. Ich folge. Durch die Angst des Guides setze ich auch zu einem Sprint an. Der Mann läuft hier schon seit achtzehn Jahren durch den Dschungel, also wird er es wohl wissen. Zum Glück ist Sil sicher in den Armen des Guides. In meinen Gedanken sehe ich plötzlich, wie der Affe Sil unter den Arm nimmt und dann dreißig Meter hoch in die Bäume klettert. Dann bekomme ich ihn wirklich nicht mit einer Küchentreppe nach unten. Auch nicht mit einer Feuerwehrleiter. Brrrr. Das Einzige, was passiert, ist jedoch, dass der Macho sich an einen nächsten Stamm hängt, auf entspannte, ja sogar ausgelassene Weise. Plötzlich sieht es wieder so süß aus. Im Baum ist er nicht bedrohlich, sagt der Guide, und wir können uns entspannen. Aber ich bin gewarnt: Das, was süß und niedlich aussieht, kann sich so schnell in ein Monster verwandeln. Aber ist das nicht schon eine Gegebenheit für alles, was um uns herum schwebt, umherirrt, läuft oder fliegt, einschließlich meines eigenen Ichs?
23-25 Juli Tangkahan - Baden mit einem Elefanten
Er ist 8 Monate alt und hat überall auf seiner grauen Haut kleine schwarze Härchen. Er steht im flachen Wasser des breiten Flusses bei Tangkahan, am Rande des Dschungels, ganz nah bei seiner Mutter. Sie ist ein wahrer Koloss von einem Elefanten. Ihre Beine sind so dick wie Baumstämme. Und er sucht eindeutig Schutz bei ihr. Mama legt sich auf drängen ihrer Betreuer ganz langsam auf die Seite. Ihre Fußsohlen – nun ja, die Bezeichnung „Fußsohlen“ finde ich bei Beinen so dick wie die einer ausgewachsenen Birke nicht passend – mit ihren süßen weißen Nägeln sinken langsam ins Wasser. Ihr Gesicht liegt unter Wasser, und ihr Rüssel ist nur so gedreht, dass sie atmen kann. Ihr Kleines bleibt daneben stehen. Sil und Luna haben beide eine Bürste bekommen. Eine rosa und eine hellblaue mit weißen, steifen Borsten. Wir werden den Elefanten schön scruben und waschen. Die Haut fühlt sich hart an, aber nicht wie die Rinde eines Baumes. Sie fühlt sich fest und undurchdringlich an, aber mit einer Geschmeidigkeit, die nötig ist, um sich zu bewegen. Ab und zu sticht ein schwarzes Haar aus der Haut heraus. Es ist genauso steif wie die Bürste, mit der wir sie bürsten. Wir gießen Wasser über ihre Seite und bürsten. Sie scheint es sichtbar zu genießen. Ihr Auge schaut uns an, als ob sie uns anfeuern möchte. Na los! Das gefällt mir. Mit einem so sanften, freundlichen Blick, dass ich fast vergesse, dass sie mindestens 3000 kg wiegt und man sie besser nicht auf den Fuß lassen sollte.
Dann steht sie ruhig, ganz ruhig, wieder auf, und das scheint das Zeichen für ihr 8 Monate altes Jungtier zu sein, das fröhlich ins Wasser plumpst. Los, scrubben! Seine Haut ist dünner und weicher. Die Härchen, die wie Daunen über seinen ganzen Körper verteilt sind, sind weicher als die seiner Mutter, aber noch immer ziemlich fest. Ich könnte sie dazu benutzen, mein Haar zusammenzubinden. Wir bürsten und streicheln ihn und gießen Wasser über ihn. Er genießt es. Und wir vergessen es nie wieder. Wie Sanftheit, Freundlichkeit und Zusammenarbeit trotz der Machtunterschiede zwischen Mensch und Tier so schön miteinander harmonieren können.
Ritt auf Augustin.
Augustin und ich sind gleich alt. Und das schafft sofort eine Verbindung. Geboren im selben Jahr. Welche Veränderungen hat sie in den vergangenen 39 Jahren wohl erlebt? Hat sie, wie ich, etwas daraus gemacht? Sie hat ebenfalls Kinder bekommen, genau wie ich. Nur wurde sie irgendwo im Dschungel im Norden von Sumatra geboren. Ich im Süden der Niederlande. Sicher ist, dass sie erlebt hat, wie der Dschungel kleiner geworden ist. Stück für Stück kleiner. Ihr Lebensraum musste Platz machen für Ölpalmenplantagen. Hektar groß. Nur Ölpalmen und ein wenig niedrige Vegetation. Weg sind alle großen Bäume wie Meranti, Mahagoni, Waringin, Maniok, Farne, Vögel, Insekten, Affen und auch Elefanten. Ihr Lebensraum wird zerstört. Es ist kaum zu fassen, wenn man in den Dschungel hineinläuft und sich bewusst wird, dass dieses riesige, komplexe Ökosystem mit all den verschiedenen Arten von Flora und Fauna einfach abgeholzt wurde. Abgesägt, gerodet von den Menschen. Und die Tiere fliehen tiefer in den Urwald. Oder sie stehen am Rand und wissen nicht mehr, wo sie hin sollen. So erging es auch Augustin, dem Elefanten. Sie wurde hier in Tangkahan aufgenommen. Zusammen mit 8 anderen Elefanten. Im Austausch für die Aufnahme und das Futter – mindestens 100 kg Blätter pro Tag – muss sie zweimal täglich eine Stunde lang Touristen auf ihrem Rücken tragen. Durch den Fluss, dann einen kleinen Weg hinauf, durch ein Stück Dschungel und dann wieder hinunter, in den Fluss. Am Ende der Fahrt wird sie schön gewaschen und gescrubbt. Und dann bekommt sie Futter. Die großen Palmzweige von mindestens drei Metern Länge werden in der Mitte von ihrem Betreuer gebrochen, sodass sie genau auf ihren Rücken passen. Ihr Betreuer legt vorsichtig etwa zehn von diesen gebrochenen Palmzweigen zusammen, um ein Dach für ihren Rücken zu bilden. Sobald sie fertig ist, schuffelt sie langsam mit ihrem Futter auf dem Rücken zu ihrem Ruheplatz. Ihr Betreuer bringt sie dorthin. Es geht so ruhig und entspannt zu. Der Betreuer und Augustin vertrauen sich gegenseitig und kümmern sich umeinander. Das sehe ich deutlich. Ich habe schon einmal auf Augustins Rücken gesessen. Zusammen mit meinen zwei Kindern. Quer durch den Fluss bei Tangkahan und über schmale Pfade durch den Dschungel! Mächtig.
© Christel van Bree, DimSum Reisen, August 2011
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